Ökologische Vielfalt auf Almen erhalten
Warum richtige Bewirtschaftung die Voraussetzung für Biodiversität ist
Neben der landeskulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung kommt den Almen ein unschätzbarer ökologischer Wert zu. Warum das so ist, erklärt der Biologe und Direktor des Landesamtes für Natur, Leo Hilpold, in folgendem Interview.
KulturFenster: Wie und warum sind Almen entstanden?
Leo Hilpold: Sie sind aus der Notwendigkeit entstanden, auch die oberen Höhenstufen für die Viehwirtschaft zu nutzen, also Fressen für die Tiere zu erwirtschaften. Neben der Mahd der Wiesenflächen, die als Folge der Waldnutzung entstanden ist, war es die tatkräftige Beweidung mit Ziegen und Schafen, die eine offene Landschaft sicherte. Meistens liegen Almen an oder leicht über der Waldgrenze, also zwischen 1500 und 2200 Metern Meereshöhe. Dorthin hat der Hirte die Kleintiere zurWeide geführt. Er achtete darauf, dass die Tiere zusammenblieben, und darauf, dass sie gezwungen wurden, alles abzufressen, was an der Stelle wuchs. Nur fressen, was schmeckt, war den Weidetieren nicht möglich. War alles abgefressen, zog man weiter. Zu den Aufgaben des Hirten gehörte es auch, aufkommende Bäumchen abzuschneiden und die Weide zu „putzen“. ImLauf der Jahrzehnte konnte sich durch dieseWirtschaftsweise ein neues ökologisches Gleichgewicht einstellen mit einer außergewöhnlich hohen Biodiversität. Wo Misch-Nadelwälder hinauf bis in die Kampfwaldstufe waren, konnten auf diese Weise Almen entstehen, also offene Lebensräume.
KulturFenster: Welche ökologische Bedeutung haben Almen?
Da müssen wir unterscheiden zwischen einst und jetzt. Früher waren die Almen ein gigantischer Biodiversitäts-Pool, weil sich hier über die Jahrhunderte hinweg, in denen er entstanden ist, zahlreiche Pflanzenarten mit den unterschiedlichsten ökologischen Ansprüchen entwickeln konnten – im Unterschied zum Lebensraum des „finsteren“ Waldes, der a priori artenarm ist. Weil Almen nicht planiert wurden, waren sie von Senken und Hügeln geprägt. So konnten sich an jedem Standort – trocken, feucht, sonnig, schattig – jene Pflanzen etablieren, die dort die bestenÜberlebenschancen hatten. Zudem hat die traditionelle und standortgerechte Bewirtschaftung derWiesenflächen den Artenreichtum gefördert, weil die Almen erst spät im Sommer mit der Hand gemäht wurden. Dieses späte Mähen war für das Aussamen der krautigen Pflanzenarten überlebenswichtig.Orchideenarten wie das Kohlröschen samen erst spät im Sommer aus. Eine frühe Mahd oder eine Vorweide am Beginn des Sommers bedeutet für diese Art das Ende ihres Fortbestandes.
Heute werden auf den Almen, besonders in den unteren Höhenlagen, oft zu viele Nährstoffe in Form von Mist und Gülle eingebracht. Dadurch wird das schnelle Wachstum einiger weniger Gräser und krautigen Arten gefördert, die optimal an diese hohen Nährstoffgaben angepasst sind. Leo Hilpold, Biologe und Direktor des Landesamtes für Natur |
KF: Heute wird im Sommer bis zu dreimal gemäht …
Hilpold: Heute werden auf den Almen, besonders in den unteren Höhenlagen, oft zu viele Nährstoffe in Form von Mist und Gülle eingebracht. Dadurch wird das schnelle Wachstumeiniger weniger Gräser und krautigen Arten gefördert, die optimal an diese hohen Nährstoffgaben angepasst sind. Ein Beispiel ist der Löwenzahn, der die vielen seltenen Pflanzenarten in ihrer Existenz verdrängt. Mehr Nährstoffe bedeutet auch höherer Futterertrag und häufigere Mahd – wohl oft, auch längerfristig gedacht, zu Ungunsten der Futterqualität. Ebenso haben Pflanzen, die spät aussamen, wegen der Mahdhäufigkeit keine Chancemehr zu überleben. Wennman in extensiven, standortgerechten Almwiesen 70 verschiedene Gefäßpflanzen findet, so beschränkt sich die Biodiversität bei intensiven Wiesen innerhalb weniger Jahre auf einige Allerweltsarten. Löwenzahn ist übrigens ein sehr guter Indikator für den Stickstoffreichtum in den Wiesen.
KF: Sind die Almen rein vom Standpunkt der Artenvielfalt nutzlos geworden?
Hilpold: Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. JeneWiesen, wo teilweise massiv Nährstoffe ausgebracht wurden, haben ihre Artenvielfalt völlig verloren. Auf Almen und Bergwiesen, die teilweise noch traditionell und standortgerecht bewirtschaftet werden, gibt es noch eine hohe Artenvielfalt. Wichtig ist, dass diese Almen auch weiterhin richtig bewirtschaftet werden, sei es was die Mahd betrifft als auch die Beweidung.
KF: Das heißt konkret …?
Hilpold: Keine bzw. weniger Gülle bzw. Mist ausbringen und nur dort, wo es der Boden und die Vegetation erlauben, mit Großvieh wie Rindern und Pferden beweiden, ansonsten mit Ziegen und Schafen. Ebenso sollten auf naturschutzfachlich sensiblen Flächen wie an Orchideenstandorten nicht frühzeitig Pferde weiden, da sich der Pflanzenbestand durch den tiefen und jahreszeitlich frühen Verbiss nicht regenerieren und fortpflanzen kann. Mit der richtigen Kombination von Weide und Mahd kann sich auch längerfristig ein andauerndes und vielfältiges Ökosystem erhalten. Das ist arbeits und kostenintensiv und soll daher auch weiterhin mit gezielten Beiträgen zum Erhalt der Natur- und Kulturlandschaft gefördert werden.
Text: Edith Runer
Zum KulturFenster