Keine Photovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden
Landeskonservatorin Karin Dalla Torre erklärt die Bestimmungen und die Begründung dafür
KulturFenster: Klimaexperten sagen, Südtirols Dächer müssten massiv für Photovoltaik genutzt werden. Wie ist die Regelung derzeit bei denkmalgeschützten Gebäuden?
Karin Dalla Torre: Die Photovoltaik ist eine der möglichen Maßnahmen für den Klimaschutz. Im Falle von denkmalgeschützten Gebäuden ist sie meistens nicht die richtige und nicht die einzig mögliche Maßnahme. Ein befriedigendes Ergebnis im Sinne des Klimaschutzes kann bei diesen Gebäuden oft durch ein Paket von Maßnahmen erreicht werden. Beispiele sind die Dämmung der untersten und der obersten Geschossebene, die Innendämmung, eine Heizanlage, die mit erneuerbaren Brennstoffen betrieben wird, die Nutzung von Erdwärme, durch Klimazonen im Haus usw. In Südtirol gilt derzeit das neue Dekret des Landeshauptmannes vom 9. Jänner 2023, Nr. 1, zur „Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen“, das im Art. 6 das Anbringen von Photovoltaikpaneelen auf Bau- und Grundparzellen unter Denkmalschutz regelt. Das Anbringen ist ausschließlich auf Nebengebäuden oder auf Freiflächen mit Ermächtigung des Landesdenkmalamtes möglich, wenn die Denkmalbedeutung und Ansicht der Hauptgebäude nicht beeinträchtigt werden. Auf und an Kirchen, Kapellen, Schlössern, Burgen und Ansitzen ist Photovoltaik nicht erlaubt. Durch diese neue Regelung wird unserer Einschätzung nach die Einzelfallbehandlung bei rund 2000 der 5050 denkmalgeschützten Gebäuden möglich, wir verstehen das als Entgegenkommen gegenüber den Eigentümer*innen, die sich benachteiligt fühlen könnten. Die Rahmenbedingungen müssen klar sein, und jeder Einzelfall ist im Detail zu bewerten. Wir haben eine Anlage zum Ermächtigungsantrag entwickelt, die auf unserer Internetseite abrufbar ist. Dort stellen wir auch ein Beispiel für die Planenden zur Verfügung, das eine Selbsteinschätzung ermöglicht.
KF: Wie viel Prozent der Südtiroler Gebäude sind überhaupt denkmalgeschützt? Wie viel würde das also ausmachen, zumal denkmalgeschützte Gebäude oft große Dachflächen aufweisen?
Dalla Torre: Nur 1,5 bis zwei Prozent der Gebäude in Südtirol stehen unter Denkmalschutz. Die Öffentlichkeit schätzt das anders ein, sie geht oft davon aus, dass alte Gebäude automatisch unter Denkmalschutz stehen. Denkmalgeschützte Gebäude können für den Klimaschutz gar nicht ausschlaggebend sein. Daher bringt es nichts, wenn man jetzt auf diese Gebäude noch mehr Druck ausübt. Allerdings bin ich schon der Meinung, dass die Eigentümer*innen im Rahmen von denkmalgerechten Maßnahmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Nur die Standardmaßnahmen wie Außendämmung oder eben Photovoltaikanlagen passen im Fall des Denkmalschutzes eben nicht. Doch es geht hier nicht nur um den Denkmalschutz, auch der Ortsbildschutz ist bei der Anbringung solcher Anlagen in unserem Land unbedingt zu berücksichtigen. Denken wir nur an die schönen traditionellen Dachlandschaften im Unterland und im Überetsch, die nicht entstellt werden sollten. Ich bin überzeugt, dass Energiegemeinschaften ein wichtiges Instrument sein werden, um die Ansicht der Siedlungen und Gebäude zu schützen. Es sollte nicht in die Richtung gehen, dass jedes Gebäude eine eigene Anlage braucht. Oft gibt es in der Nachbarschaft große Flachdächer, die für die Versorgung mehrerer Gebäude genutzt werden können. Es geht darum, strategisch zu denken und zu handeln.
KF: Warum sind Sie als Landeskonservatorin gegen Photovoltaik auf denkmalgeschützten Gebäuden?
Dalla Torre: Der Denkmalschutz fußt auf zwei wesentlichen Prinzipien, dem Substanzerhalt und der Materialkontinuität. Diese Anlagen widersprechen beiden Prinzipien. Wenn sie auf Nebengebäuden platziert werden können und der Denkmalwert des Hauptgebäudes nicht beeinträchtigt wird, die Anlage selbst in ästhetischer Hinsicht angepasst ist, bin ich nicht dagegen. Es ist dann eine Frage des Wie. Spiegelnde Oberflächen und Aluminiumumrahmen sind in jedem Fall zu vermeiden. Es ist auch schon eine farbliche Anpassung an die Dachflächen möglich. Die Mehrkosten sind aus Sicht der Denkmalpflege vertretbar.
KF: Der Denkmalschutz als Verhinderer der Energiewende – was entgegnen Sie diesem Vorwurf?
Dalla Torre: Das stimmt so ganz und gar nicht. Denkmalgeschützte Gebäude und historische Bausubstanz sind an sich mit ihrer extremen Langlebigkeit, der Schadstofffreiheit der Baumaterialien und anderen Vorzügen Vorbilder im Sinne der Energiewende. Hier geht es darum, ungerechtfertigte Vorurteile auszuräumen und einen neuen Blick auf die bestehenden Bauten zu entwickeln. Die Kolleg*innen in Österreich haben sogar den Slogan entwickelt: Denkmalschutz ist Klimaschutz. Das sehe ich genauso.
KF: In Bayern sollen die Bestimmungen jetzt gelockert werden. Dort spricht sich der Chef-Konservator nicht gegen PV-Anlagen aus. Er meint, denkmalgeschützte Gebäude seien Meister des Überlebens und würden auch diesen Veränderungsprozess überstehen. Was sagen Sie dazu?
Dalla Torre: Wir haben bei der Entwicklung unserer neuen Regelung die Vorgangsweise der Denkmalpfl ege in mehreren europäischen Staaten analysiert, und ich kenne diesen Standpunkt in Bayern. Es stimmt schon, dass diese Gebäude „geduldig“ sind und dass sich die Technologien sehr schnell verändern. Trotzdem sollten im Falle von denkmalgeschützten Gebäuden aus meiner Sicht Maßnahmen vorgezogen werden, die den Denkmalwert nicht ästhetisch beeinträchtigen.
KF: Es gibt mittlerweile auch Photovoltaik- Dachziegel. Wären sie eine Alternative?
Dalla Torre: Auf historischen Bauten, die nicht unter Denkmalschutz stehen, sind sie durchaus eine Alternative, die allerdings derzeit Mehrkosten von 50 Prozent verursacht. Auf denkmalgeschützten Gebäuden schließen wir sie wegen des Prinzips der Materialkontinuität aus.
Text: Edith Runer
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