Wir wollen mitgestalten
Verbrauch drosseln, Sonne nutzen, landschaftsverträgliche Weichen stellen
Trockenheit, Hitze, dann wieder Starkregen und Sturm. Das Wetter macht Kapriolen, die Tendenz geht in eine eindeutige Richtung: längere Trockenperioden und anhaltender Temperaturanstieg. Dass wir dem Klimawandel entgegenarbeiten müssen, daran besteht kein Zweifel. Der Umstieg auf erneuerbare Energien und damit die Reduzierung von Treibhausemissionen ist dringend und zwingend. Die damit einhergehenden Veränderungen treffen uns alle – Mensch und Natur gleichermaßen. Wir Heimatpfleger*innen wollen die Gestaltungsräume nutzen.
Das Wasser steht uns bis zum Hals oder wohl eher: Wir stecken bis über beide Ohren drin, im Klimawandel. Ein Temperaturanstieg von über zwei Grad scheint unvermeidbar und hat schon per se katastrophale Auswirkungen. Aber bei all den Horrorszenarien: Wir haben es in der Hand – noch. Wir müssen dringend unseren Energieverbrauch drosseln, das hat oberste Priorität. Für die Energie, die trotzdem immer noch notwendig sein wird, brauchen wir den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen: die Energiewende.
Warum wir auf „Solar“ setzen müssen
In Südtirol wird gerne argumentiert, dass wir durch die Wasserkraft ohnehin mehr Strom produzieren als wir verbrauchen. Aber stimmt das wirklich? Was ist mit all der Energie, die für Produkte aufgebracht werden muss, die wir hier verbrauchen, deren Produktion wir aber in andere Länder ausgelagert haben? Und wie stabil wird die Menge aus der aus Wasserkraft gewonnenen Energie sein, wenn die Gletscher abgeschmolzen sind und die Trockenperioden – wie zu erwarten – anhalten? Neben Wasser wird auch gerne der Wald als Südtirols großer Energieträger genannt. Aber wie sensibel das Ökosystem Wald ist, führt uns die aktuelle Borkenkäfer-Krise vor Augen. Holz ist ein begrenzter Rohstoff, der ebenfalls Abhängigkeit erzeugt. Was heute in großem Ausmaß vorhanden ist, kann morgen schon rar sein. Außerdem sind unsere Wälder nicht nur wichtige Schutzinstrumente, sondern auch gewaltige Kohlenstoffspeicher. Wird Holz verbrannt – auch bei einer effizienten Verbrennung in einem Fernwärmewerk – wird das Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt. Schlägerungen zur Energieerzeugung sind daher mit Vorsicht zu genießen. Besser ist die langfristige Verwendung von Holz für Häuser und Möbel, wo der Kohlenstoff für einen großen Zeitraum gespeichert bleibt. Wie ist aber die Deckung unseres langfristigen Energiebedarfs, auch wenn wir ihn vermindern, möglich? Die Lösung – darin sind sich Techniker*innen und Wissenschaftler*innen beim aktuellen Stand der Technik einig – ist der Umstieg auf Solarenergie. Im Gegensatz zur Windenergie verspricht sie für Südtirol eine sehr stabile und in allen Landesteilen mögliche Energieversorgung – zumindest in den Tagesstunden, in Kombination mit Speichereinrichtungen, zum Beispiel Pumpspeicherwerken, auch nachts. Sie verursacht in der Paneelproduktion verhältnismäßig tragbare und langfristig nur geringe Treibhausgasemissionen.
Aber wohin mit den Paneelen?
Sehr viele Dächer sind in den vergangenen Jahren mit Photovoltaikanlagen ausgestattet worden, aber immer noch zu wenige. Es fehlt leider nach wie vor eine Bestimmung, wonach auf nicht schützenswerten großen Dachfl ächen Photovoltaikanlagen bei Sanierungen und Umbauten verpfl ichtend werden. Laut Berechnungen verfügt Südtirol über sehr viele geeignete Dachflächen, zwei Drittel des direkten Strombedarfes könnten
darauf produziert werden. Das ist sehr zu unterstützen. Aber es ist leider zu wenig, auch wenn unser Energiebedarf stagniert und Photovoltaikpaneele effi zienter werden. Da Klimaschutz und Energiewende für uns Heimatpfleger*innen oberste Priorität haben, müssen wir uns der Diskussion offen stellen. Die Energiewende wird das Landschaftsbild verändern, aber wir wollen diesen Prozess aktiv mitgestalten. Es braucht klare Konzepte, um unsere Landschafts- und Ortsbilder zu schützen.
Problemfelder: Sensible Zonen und Agri-Photovoltaik
Ein sensibler Punkt sind denkmalgeschützte und andere schützenswerte Dachflächen. Dass diese in den aktuellen Richtlinien ausgespart bleiben, ist wichtig und sinnvoll. Für andere Dachfl ächen ist auch von unserer Seite Offenheit und Neudenken erforderlich. In der Entwicklung steckt noch viel Potenzial. Photovoltaikpaneele sollten möglichst landschaftsfreundlich angebracht, die ohnehin schon bedenklich große Bodenversiegelung darf nicht erhöht werden. Dies im Besonderen im Hinblick auf Agri-Photovoltaik, die seit rund einem Jahr auch in Südtirol im Gespräch ist. Die doppelte Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen ist in einem bestimmten Ausmaß wohl notwendig und wird kommen. Es braucht für Agri-Photovoltaik genauso wie für Photovoltaikanlagen auf landschaftlich sensiblen Ensembles aber klare politische Weisungen, wo Anlagen sinnvoll sind und wo nicht. Dieses energiepolitisch wichtige Thema den Spekulanten zu überlassen, hätte fatale Folgen für unsere Landschaft. Energiegenossenschaften sind eine Chance, den Druck von einzelnen Projekten zu nehmen und auch Bürger in besonders schützenswerten und daher für Solaranlagen nicht geeigneten Zonen an der Energiewende teilhaben zu lassen.
Wir brauchen eine kluge Planung
Als Heimatpfleger*innen sehen wir uns alle, aber insbesondere die Politik, in der Verantwortung, kluge und landschaftsverträgliche Weichen für die Energiewende zu stellen – und das möglichst zeitnah. Wenn wir den Klimawandel schaffen wollen – das ambitionierte und wichtige Ziel laut Klimaplan ist die Klimaneutralität bis 2040 – dann müssen wir alle, als Privatpersonen und als Gesellschaft, unseren Beitrag leisten. Wir müssen unser tägliches Handeln hinterfragen und jede politische Handlung auf ihre Klimaverträglichkeit prüfen. Die zeitnahe Umstellung auf erneuerbare Energien darf kein Freibrief zum ungehemmten Stromzapfen werden, denn auch sogenannter Ökostrom hat eine negative Klimabilanz. Und die Energiewende darf nicht ein Raubbau an der Landschaft werden. Denn die Geschichte sollte uns gelehrt haben: Es war die Rücksichtslosigkeit gegenüber Natur und Umwelt, die uns in die heutige Situation gebracht hat, aus der wir nun dringend einen Ausweg suchen.
Text: Evi Brigl
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